Hallo an alle!
Nachdem seit meinem letzten Blogeintrag schon einige Zeit vergangen ist, habe ich nun endlich wieder die Zeit gefunden, um euch mit dem Neusten aus der Millionenstadt La Paz zu versorgen.
Seit drei Wochen bin ich jetzt schon hier, aber mir kommt es vor wie Monate, weil man hier täglich einfach so viel erlebt! Oftmals wenn ich aus dem Fenster schaue oder durch La Paz laufe, bin ich immer noch so fasziniert von dem Anblick den La Paz in seinem Talkessel bietet. Vor allem bei Nacht!
Beeindruckender noch als La Paz selbst ist die Natur die das Land Bolivien zu bieten hat. Unglaublich, dass man nur ca. 10 Minuten fahren muss um aus der Millionenstadt La Paz um in mitten bilderbuch Natur wandern gehen zu können. Das nutzen einige meiner Mitvoluntäre und ich natürlich aus und sind so am Wochenende oft unterwegs.
Am Samstag ware wir beispielsweise unterwegs im ‚Grand Canyon‘ von La Paz, eine trockene Gesteinslandschaft durch die sich ein kleiner Fluss schlängelt. Es war heiß und wir hatten nur recht wenig Proviant dabei, da wir am Nachmittag wieder daheim sein wollten. Jedoch verloren wir unsere Gruppe und die Orientierung noch dazu. Nach ca. 5 Stunden kamen wir am späten Nachmittag mitten auf einem Dorfplatz in einem Bergdorf an, wo wir als Gringos (Bezeichung für Hellhäutige) natürlich sofort auffielen. Wir hatten Glück, denn anders als erwartet sprachen die Bewohner anstatt indigene Sprachen Spanisch, sodass wir uns mit ihnen einigermaßen verständigen konnten. Es war beeindruckend wie freundlich wir von diesen fremden Menschen aufgenommen wurden, wie selbstverständlich wir uns zu ihnen in ihre Runde gesellen durften, dass ein oder andere Bier tranken und am Ende als ‚Amigos‘ (Freunde) verabschiedet wurden. Wie im Film!
Ansonsten habe ich den Rest der letzten Wochen weiterhin damit verbracht Sachen für das Visa zu klären. Hier in Bolivien ist das echt ein großer bürokratischer Akt und es zieht sich unendlich, zu allen möglichen Ämtern, zur Polizei oder zur Interpol zu laufen. Außerdem haben wir alle Projekte von der Fundacion fertig angeschaut.
So besuchten wir beispielsweise am Dienstag im Rahmen des Projektes ‚Calle‘ (Straße) El Alto. El Alto ist ein slumartiger, millionengroßer Vorort von La Paz, wo auch viele von der Fundacion betreuten Jugendlichen und Familien leben. Der Anblick von El Alto ist ein Anblick des Elends. Zwar ist La Paz schon sehr abweichend von dem uns bekannten europäischen Standart und wirklich arm, aber El Alto übertrifft dies noch um ein Vielfaches. Es herrscht eine Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit und Perspektivlosigkeit. Jugendliche verbrennen ihren Müll, um sich am Feuer ein bisschen zu wärmen, in Holzhüttchen hausen Großfamilien und Obdachlose schlafen in Gruppen auf der Straße. Alles wirkt dreckig, verwahrlost und das Stadtbild ist einfach elendig. Passend zu der Atmosphäre ist die Luft da oben (4500 Meter) so dünn, sodass die Stadt noch bedrückender wirkt. Die Straßenbanden die wir besuchten bestanden größtenteils aus Jugendlichen und jungen Menschen. Diese sind meistens gar nicht mehr ansprechbar, da sie betrunken und vom Kleberschnüffeln in anderen Sphären schweben. Sie wirken verwahrlost und dreckig, die Körper sind abgemagert und an ihren Körpern sind eitrige Wunden die ihren harten Überlebenskampf auf der Straße nur allzu gut unterstreichen. Vor allem Nachts kommt es dort oft zu blutigen und tödlichen Straßenkämpfen, sodass wir „Gringos“ aus Sicherheitsgründen bei Dämmerung El Alto verlassen müssen.
Nachdem wir nun alle Projekte der Fundacion besichtigt haben, wurde danach eine nicht ganz leichte Entscheidung getroffen, wo wir denn zukünftig arbeiten wollen. Mit etwas Glück und langem Aushaaren bin ich nun in meinem Wunschprojekt ‚Ex Beneficiarios‘ gelandet. Das Projekt ist eine Anlaufstelle für ehemalige Kinder, Jugendliche und Familien, die zwar nicht mehr im Heim wohnen etc., aber dennoch auf Hilfe im Alltag angewiesen sind. Zukünftig werde ich also viel in La Paz und El Alto unterwegs sein, um die ‚Ex Beneficiarios‘ in ihren Häuser, auf der Straße, in Krankenhäuser, usw. zu besuchen, zu begleiten und ihnen im Alltag behilflich sein. Morgen wird dann mein erster Arbeitstag sein, vor dem ich aufgeregt bin wie ein Kind vor dem ersten Schultag.
Ich hoffe, dass es euch in Deutschland allen gut geht.
Liebe Grüße aus La Paz,
Eure Carina