Hola!
Nachdem nun wieder einige Zeit vergangen ist, melde ich mich nun wieder mit dem Neusten aus Bolivien.
Momentan sind hier die großen ‚Sommerferien‘, wenn man es so nennen kann. Die Schüler
müssen nicht mehr in die Schule, die Regenzeit ist im kommen und die externen Projekte der Fundacion geschlossen (Nur die internen Projekte; also die Heime sind noch ‚geöffnet‘).
Deshalb Arbeiten wir Volontäre der externen Projekte nun alle aufgeteilt in den verschiedenen 4 Heimen der Fundacion mit. Ich selber bin dabei im ‚Casa Esperanza‘ (Haus der Hoffnung, Jungenheim) gelandet.
Die Arbeit im Heim ist noch mal ganz anders, als ich es bisher in meinem Projekt ‚Ex Beneficiarias‘ gewohnt war.
Da wir Volontäre ja alle keine professionelle Ausbildung (z.B. Pädagoge, Psychologe, Sozial Arbeiter, etc.) haben, gilt unsere Aufgabe der Freizeitgestaltung und Beschäftigung der Jungs, denen im Heim gerade jetzt in den Ferien die Decke auf den Kopf fällt.
So waren wir beispielsweise schon Bowlen, im Kino, im Park, im Zoo, veranstalten Fußball- oder Volleyballturniere und noch vieles mehr. Leider ist die Motivation der Jungs, die im Alter zwischen 6-18 sind, nur durchschnittlich.
Die Arbeit im Heim ist zwar wirklich anstrengend (die Jungs können ja so anhänglich sein!), aber macht trotzdem sehr viel Spaß. Trotzdem freue ich mich schon wieder riesig, wenn mein eigenes Projekt am 26.Januar dann wieder aufmacht!
Trotz dass ich jetzt im Heim arbeite und mein Projekt eigentlich geschlossen ist, sind wir (Lola und ich) für Notfälle aber dennoch auch in den Ferien immer erreichbar.
Und Notfälle, die gab es wirklich, da alleine in den 3 Wochen Ferien bisher schon 2 Ex-Beneficiarias gestorben sind.
Besonders traurig hat mich dabei der Tod eines jungen 3-Monate alten Säuglings gemacht.
Das Mädchen, welches ich seit ihrer Geburt kenne und welches nach mir benannt wurde, ist
erstickt, nachdem es Blut und Milch gespuckt hat.
In seinem kurzem Leben war es bereits schon 2 Mal tot, wurde immer wieder von den Ärzten zurück ins Leben geholt, beim 3. Mal war es allerdings zu spät.
Man mag sich fragen, an was sie gestorben ist; fest steht, dass sie eine Krankheit hatte, allerdings haben die Ärzte nie eine genaue Diagnose gefunden.
In Gedanken frage ich mich ständig, ob sie in Deutschland mit der gleichen Krankheit, aber mit anderen medizinischen Möglichkeiten wohl überlebt hätte.
Vorgestern holten wir ihren Leichnam dann aus dem Krankenhaus ab. Im Taxi(!) fuhren wir mit der Babyleiche und ihren Eltern zu ihr nach Hause, wo sie bestattungsfertig gemacht wurde.
Das, was in Deutschland extra ausgebildete Leute übernehmen, haben wir hier selber gemacht. So wuschen wir ihren kleinen Körper und zogen sie an, um sie später in ihren Sarg zulegen. Noch jetzt, wenn ich so im Nachhinein darüber nachdenke, kann ich nicht so recht glauben, was da passiert und was ich selber auch gemacht habe. Nie zuvor versorgte ich einen Leichnam, noch dazu von einem Baby was ich kenne und was meinen Namen trägt.
Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, dass das für die ganze Familie nicht einfach war. Alle Verwandten kamen zusammen, wir saßen auf Schemeln um den Sarg des Babys, es wurde gegessen und über das Leben und Gott philosophiert.
Die Mutter weinte die ganze Zeit, sie schrie, dass ihre Tochter doch aufwachen solle und konnte es einfach nicht wahrhaben, dass sie nun für immer weg ist. Mit dem Tod ihres Kindes wolle Gott sie bestrafen, so ihr Glaube. Schon in ihrem jungen Alter (22 Jahre) sind 2 von ihren 3 Kindern die sie zur Welt gebracht hat, verstorben.
Eine andere Frau beruhigte sie und sagte ihr, dass nicht Gott sie strafe, sondern das der Teufel ihr den Tod geschickt habe. Gott sei dafür da, ihr zu helfen und würde nur ‚Gutes‘ in die Welt schicken. Der Teufel aber, der sei verantwortlich für all das Böse in der Welt.
Später dann wurde wurde ihr Leichnam auf den Friedhof gebracht und beigesetzt. (…)
Noch heute kann ich nicht so richtig realisieren, was ich da an diesem Tag gesehen, getan und gehört habe. (…)
Trotz alledem, möchte ich es mir nicht nehmen lassen, euch auch noch von Heiligabend zu berichten. Seit Beginn meines FSJ’s war ja schon klar, dass wir Volontäre an Weihnachten nicht frei haben, sondern arbeiten müssen.
Aber trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb- war es das schönste und auch traurigste Weihnachtsfest meines bisherigen Lebens. Nie zuvor habe ich in wenigen Stunden so viele Emotionen gefühlt, so viele Eindrücke gewonnen und die Botschaft von Weihnachten so sehr gefühlt und verstanden.
Alles fing damit an, dass ich in La Paz in der Christmette singen durfte. Dazu muss ich erklären, dass ich seit einigen Wochen mit meinen 2 Mitvolontären Raphi und Jonathan in einer Kirchenband singe.
Auch viele von den Volontären waren an dem Abend in der Christmette, sogar die ganzen Straßenjungen aus dem Heim sind gekommen!
Mein persönlicher Höhepunkt in der Kirche war wohl, als wir 3 deutschen Volontäre ‚Stille Nacht‘ auf deutsch gesungen haben und ich selber am ganzen Körper Gänsehaut und Tränen in den Augen hatte.
Nachdem die Kirche dann aus war, kamen die anderen Volontäre und die Straßenjungs aus dem Heim zu uns, wir wünschte uns Frohe Weihnachten, es flossen einige Tränen, aber es war so schön, so herzlich und so tief! Hatten wir doch alle irgendwie gemeinsam, dass wir Weihnachten ohne unsere Familie verbringen.
Nach dem Gottesdienst fuhren wir zurück ins Jungenheim. Dabei kamen wir an einer großen Stelle vorbei, wo Mütter mit Kindern auf den Bürgersteigen schliefen. An sich ist das nichts Ungewöhnliches hier in La Paz, aber es waren so, so, so viele!
Beidseitig säumten sich die Bürgersteige mit den Familien die da im Dreck lagen; im Hintergrund wühlten noch einige Frauen im Müll; es erweckte in mir den Eindruck eines riesigen Flüchtlingslagers. (…)
Nach gut 15 Minuten Fahrt kamen wir dann im Jungenheim an, es wurde gemeinsam das Christkind in die Krippe gelegt, es gab ‚Bescherung‘ und Essen. Danach wurde außerdem noch mit dem neu geschenkten Ball draußen Fußballgespielt, bis wir Volontäre dann um ca. halb 2 heim und die Jungs ins Bett gingen.
Wenn man die Jungs so aus dem Alltag kennt, sind sie sehr oft sehr ‚hart‘. Alle haben eine Straßenvergangenheit, was man ihnen an ihrem Verhalten und Umgang mit anderen Menschen auch anmerkt. Gerade an Heiligabend aber, platzen viele von den Wunden, die sie aus ihrer Vergangenheit haben, auf und rührten einige zu Tränen. (…)
Noch heute bin ich tief berührt von diesem Abend, sogar jetzt noch, wenn ich doch gerade darüber schreibe, habe ich Tränen in den Augen.
Silvester fiel dagegen eher schlicht aus. Zunächst waren wir Tagsüber mit den Jungs Bowlen, danach durften sie auf eine Silvesterparty im Mädchenheim und um 11 Uhr kamen wir dann wieder auf dem Jungenheimgelände an. Dort bekam jeder eine Rakete, auf die er seine Wünsche schreiben konnte und diese wurden dann abgefeuert.
Nicht aber etwa um 12, sondern schon um ca. halb 12.
Eins muss man den Bolivianern wirklich lassen: Das, was sie sonst immer(!) zu spät kommen, haben sie an Silvester wieder wett gemacht.
Anders als erwartet ist das Feuerwerk in La Paz aber dennoch sehr klein ausgefallen. Eigentlich logisch so im Nachhinein, wenn man bedenkt, dass die meisten Leute hier schon kaum Geld für das Nötigste haben, dann erst recht nicht für Feuerwerkskörper.
Nachdem wir dann um 1 Uhr das Heim verlassen haben, haben wir uns mit den Volontären dann in der Stadt getroffen und sind dann ins Haus zu den Jungs gefahren, wo wir noch ein bisschen für uns gefeiert haben. (…)
So, dass waren nun also erst mal die Neuigkeiten aus Bolivien.
In der Hoffnung, dass ihr alle gut ins Neue Jahr 2015 gerutscht seid, wünsche ich euch alles, alles Gute, viel Gesundheit und Glück und dass wir uns in einem halben Jahr wohlbehalten wieder sehen!
Saludos, Carina