Hallo!
Nach mehr als einem Monat schaffe ich es nun endlich mal wieder mich zu melden um euch auf dem Laufenden zu halten.
Seit 1,5 Monaten arbeite ich nun in meinem Projekt „Ex-Beneficiarias“ und hatte somit schon viel Zeit mich in den Arbeitsabläufe und meinen neuen täglichen Alltag einzugewöhnen.
Mein Alltag sieht nun also folgendermaßen aus:
Nachdem ich um 7 Uhr aufstehe, frükstücke und mich fertig mache für die Arbeit, verlasse ich zusammen mit einem Teil meiner Mitvoluntäre (die, die im gleichen Gebäude arbeiten) um ca. 8 Uhr das Haus, damit wir pünktlich um 9 Uhr an der Arbeit sind.
Mein Arbeitstag dauert dann von 9 Uhr bis 17 Uhr, wobei ich aber meistens etwas länger arbeite, da es immer etwas mehr zu tun gibt oder wir auch oft noch unterwegs sind. Deshalb komme ich dann in der Regel gegen 19 Uhr nach Hause, wo ich noch esse, Sport mache und den Tag mit meinen Mtivoluntären ausklingen lasse.
Jetzt fragt ihr euch sicherlich was ich den 8 Stunden meines Arbeitstags treibe.
Mein Projekt, dass habe ich ja schon in dem vorherigen Post erklärt, richtet sich an die „Ex-Beneficiarias“. „Beneficiarias“ nennt man die Bewohner der Heime der Fundacion. „Ex-Beneficiarias“ dann folglicherweise die ehemaligen Bewohner.
Oftmals kommt der falsche Eindruck auf, dass die Kinder und Jugendlichen die im Heim wohnen es dort ‚viel besser‘ haben und ihnen nun eine ‚bessere Zukunft‘ bevorsteht. Und sicherlich ist das Leben im Heim vielleicht oftmals komfortabler als auf der Straße oder in Familien, wo Gewalt und Verwahrlosung herrscht.
Dieses Leben im Heim ist jedoch mit 18 Jahren vorbei, da man ab diesem Alter ausziehen und auf eigenen Beinen stehen muss.
Da viele der Kinder und Jugendlichen von der Straße oder aus zerrüterten Familien kommen, stehen sie nach dem Leben im Heim alleine da. Deshalb folgt nicht selten nach dem Auszug erneut Armut. Um eben jene Jugendliche kümmern wir uns.
Wir, dass ist ein Team bestehend aus einer Sozial Arbeiterin und Psychologin, einer Erzieherin und mir, der Freiwilligen. In meinem Team fühle ich mich sehr wohl und wir verstehen uns sehr gut. Von Anfang an wurde ich wirklich herzlich aufgenommen und nie ’nur‘ als Voluntärin beäugt, sondern immer als ‚vollwertige‘ Mitarbeiterin. Unsere Arbeit gliedert sich in 2 Bereiche: Zum einen in Büroarbeit und zum anderen in die Arbeit in der Straße und außerhalb des Büros.
Die „Ex-Beneficiarias“ kommen zu uns ins Büro und berichten uns von ihrem Alltag und ihren Problemen. Diese probieren wir dann auf bestmögliche Weise zu lösen.
Die Probleme sind genauso verschieden wie die Menschen (Jugendliche, Familien, Kinder, Alleinstehende,..) die wir betreuen. Einige ‚Probleme‘ sind ähnlich wie in Deutschland, aber dennoch immer mit dem Grundproblem der Armut zu betrachten, was Lösungsansätze oftmals sehr viel schwere macht.
Der Grundbaustein meiner Arbeit außerhalb des Büros besteht aus „Haus“-Besuchen, Durchführen von Sparprogrammen mit Straßenverkäuferinnen (oder Schuhputzern), Begleiten zu Institionen, Krankehäusern, etc. und einfach ‚Da-Sein‘ im Alltag.
Letze Woche hatten wir eine ‚Eltern-Schule‘, in der über gewaltfreie Erziehung und Umgang mit Wut referiert wurde. Es waren viele Eltern anwesend, allerdings war es sehr traurig zu sehen, wie viele schon Schwierigkeiten damit hatten, ihren Namen in die Anwesenheitsliste einzutragen. Leider ist hier in Bolivien Analphabetismus ein sehr großes Problem; auf den Dörfern noch mehr als in der Stadt.
Die Elternschule schien erfolgreich zu sein. Es kamen viele Mütter und Väter, und die meisten schienen auch recht angetan zu sein. Gewalt innerhalb der Familie spielt hier in Bolivien eine sehr große Rolle! Nicht nur in der Erziehung von Kindern, auch gegenüber Ehepatnern (speziell Frauen!). Was auch nicht zu unterschätzen ist, sind sexuelle Übergriffe. Zwar kriege ich in meinem Projekt vorranig weniger davon mit, jedoch höre ich von anderen Projekten, dass Vergewaltigungen hier fast täglich vorkommen – vor allem intrafamiliär!
Alles in allem gibt es wirklich immer viel zu tun, es ist immer was los bei uns und es geht oftmals verrückt zu. Obwohl ich als Freiwillige ja eigentlich ‚ungelernt‘ bin, gibt es genug Aufgaben für mich zu erledigen und ich habe mittlerweile (nach der Einarbeitungsphase) wirklich das Gefühl, dass ich eine Hilfe sein kann und meine Unterstützung auch wirklich gebraucht wird.
Auch in meinem privaten Umfeld ist alles super. Wir Freiwilligen verstehen und alle nach wie vor noch immer gut und sind wie eine ‚große Familie‘. Diese ist mittlerweile sogar gewachsen, da wir nun ein Haustier haben:
Die Kinder aus dem Mädchenheim haben eine Katze gerettet und in ihrem Schrank versteckt. Da sie wussten, dass es verboten ist, haben sie die Voluntäre heimlich eingeweiht und um Hilfe gebeten. Dies führte dazu, dass wir die Katze nun bei uns aufgenommen haben und sie jetzt oben im Haus wohnt. Ich würde euch gerne ihren Namen sagen, allerdings gibt es keinen Festen, da sie jeder nach Belieben und Laune stets anders nennt. Bei den meisten heißt sie allerdings ‚Sprote‘.
Auch die erste Krankheitswelle ist inzwischen bei den Voluntären angekommen. Besonders Magen-Darm-Infektionen und Essensunverträglichkeiten sind dabei besonders beliebt. So gut wie niemand ist davon verschont geblieben – auch ich nicht. Aber mittlerweile bin ich wieder gesund und ‚das blühende Leben‘. Und einen Einblick in das Gesundheitswesen hat mir das ganze auch eingebracht. Das ist hier natürlich ganz anders, weniger technischentwickelt und hygienisch.
Außerdem ist es hier scheinbar üblich, dass man bei jedem Krankheitssymptom – sei es auch nur Husten – beim Arzt gleich Medikamente oder auch Antibiotika injiziert bzw. verschrieben bekommt. Das ist aber nicht immer unbedingt hilfreich.
Eine meiner Mitvoluntärin wurde aufgrund von angeblich verschiedensten Krankheiten ca. 1 Monat mit Medikamenten und Antibiotika vollgepumpt, aber die Symptome wurden nicht besser, sondern eher schlimmer. Schließlich hat sich herausgestellt, dass die Medikamente zur der langen Dauer der Krankheit geführt haben. Jetzt wurden diese abgesetzt und sie erholt sich allmählig.
Etwas anderes was mir aufgefallen ist, ist die schlechte Mundhygiene – vor allem die der Kinder. Das Team des Krankenhaus Arco Iris hat eine Schulklasse mit 40 Kindern untersucht, von denen schon 37(!!!) Kinder Karies hatten. Vielen Menschen hier fehlen Zähne oder sie haben bloß noch faulige Stummeln im Mund.
Das Ganze liegt aber sicherlich nicht nur an der fehlenden Mundhygiene, sondern auch an der Ernährungssituation hier vor Ort. Süßigkeiten sind billig und gibt es hier massig, sie sind an jeder Ecke und bei fast jeder Straßenverkäuferin zu erhalten (Auch ich komm gelegentlich nur schwer an ihnen vorbei 😉 ). Außerdem trinkt man hier fast ausschließlich ‚Refresco‘ – das ist zuckersüße Limonade die es in allen Farben und Geschmacksrichtungen gibt, die ich jedoch grundsätzlich meide. Neben Süßigkeiten wird hier natürlich auch noch – ganz klischeehaft – viel Reis, Kartoffel, Hähnchen und Fleisch allgemein gegessen. (auch sehr beliebt: Innereien wie Herz, Hirn, etc.) Außerdem gibt es auch viel frisches Obst und Gemüse, was alles wirklich echt billig zu kaufen ist.
Im Oktober finden in Bolivien Neuwahlen statt. Dafür kanidieren neben dem momentanen Präsidenten Evo Morales noch 3 weitere Kanidaten. Allerdings ist es schon jetzt absehbar, dass der jetzige Präsident Evo Morales gewinnen wird.
Da hier in La Paz als administrative Hauptstadt der Regierungssitz ansäßig ist, geht es hier momentan rund. Die Bolivianer demonstrieren bzw. streiken was das Zeug hält, sodass die halbe Innenstadt oft kaum befahrbar ist und ab und zu Institutionen (zb. Post) geschlossen sind. Alles in allem habe ich allerdings den Eindruck, dass es alles in einem recht friedlichen und ruhigen Rahmen abläuft.
So, das war nun erst mal das Neuste aus meiner neuen Heimat Bolivien.
Ich hoffe euch in Deutschland geht es allen gut!
Liebe Grüße,
Carina